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Wann

Montag, 14.01.2019, ACHTUNG, neue Uhrzeit: 18:15 Uhr

Vortragsort

ETH Zentrum, Gebäude NO, Hörsaal C 60, Clausiusstrasse 26, Zürich
Lageplan (zum Ausdrucken)

Vortrag

Neotektonische Prozesse in der Schweiz: Neue Einblicke in Bruchsysteme und Krustenstruktur mit Hilfe von Erdbeben

Referent

Dr. Tobias Diehl, Schweizerischer Erdbebendienst (SED), ETH Zürich

Inhalt

Die Identifizierung von Bruchsystemen in der oberen Erdkruste und deren Orientierungen im rezenten tektonischen Spannungsfeld ist von großer Relevanz für die seismische Gefährdungsanalyse, insbesondere auch bei Eingriffen in den Untergrund wie beispielsweise bei der tiefengeothermischen Energiegewinnung. In der Schweiz ist eine Vielzahl von Brüchen und Bruchsystemen durch geologische Kartierungen und geophysikalische Untersuchungen des Untergrunds bekannt. Allerdings ist deren Zusammenhang mit historischen und instrumentell registrierten Erdbeben oft nicht eindeutig. Das liegt zum einen an Unsicherheiten in geologischen und geophysikalischen Modellen von Verwerfungsstrukturen in der Tiefe, zum anderen aber auch an den Unsicherheiten in den Erdbebenlokalisierungen. Letztere setzen ein seismisches Geschwindigkeitsmodell voraus und die absolute Lokalisierungsgenauigkeit hängt maßgeblich von der Genauigkeit der verwendeten seismischen Geschwindigkeitsmodellen ab. Signifikante Verbesserungen von Qualität und Abdeckung seismischer Messstationen in der Schweiz und dem angrenzenden Ausland innerhalb der vergangenen 15 Jahre ermöglichen immer detailliertere Einblicke in seismogene Bruchsysteme und verbesserte tomographische Geschwindigkeitsmodelle der Erdkruste. In diesem Vortrag wird anhand der im Jahre 2013 induzierten Erd-beben in St. Gallen demonstriert, wie sowohl Genauigkeit als auch Präzision von Erdbebenlokalisierungen verbessert werden und wie diese zu einem tieferen Verständnis von Bruchsystemen und Erdbeben beitragen. Es werden aber auch die derzeitigen Grenzen aufgezeigt, Erdbeben einzelnen Verwerfungssegmenten zuzuordnen. Des Weiteren wird beschrieben, wie mit Hilfe verbesserten seismischen Geschwindigkeitsmodellen der Erdkruste und modernen Lokalisierungsverfahren der gesamte Erdbebenkatalog des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) systematisch verbessert wird und wie dreidimensionale Geschwindigkeitsmodelle darüber hinaus zur seismotektonischen Interpretation beitragen. Wir betrachten dazu mehrere Beispiele seismogener Regionen in den Schweizer Alpen und dem nördlichen Alpenvorland. Besonderen Fokus legen wir auf die Herdregion des Magnitude 4,6 Bebens im Gebiet des Urnerbodens, das sich im März 2017 ereignete und in großen Teilen der Schweiz verspürt wurde. Das Epizentrum befindet sich in den Helvetischen Decken, unweit nördlich des aufgeschlossenen Aar-Massivs. Dieses Gebiet bietet eine der wenigen Gelegenheiten um die Verbindungen zwischen Verwerfungen an der Oberfläche mit Erdbeben in einigen Kilometern Tiefe in der Schweiz zu untersuchen. Für diese Studie wurden u.a. präzise Erdbebenlokalisierungen, Herdmechanismen, tomografische Modelle, geologische Profile und strukturgeologische Daten verwendet. Der Vergleich zwischen Erdbeben und geologischen Daten zeigt eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zwischen der Seismizität, die im obersten Bereich des kristallinen Aar Massivs zu liegen scheint, mit nahezu vertikal einfallenden Blattverschiebungen, welche an der Oberfläche der Helvetischen Decken in diesem Gebiet aufgeschlossen sind. Diese Ähnlichkeit legt den Schluss nahe, dass sich derzeit die gesamte oberste Kruste bis hin zum obersten Teil des Aar-Massivs in diesem Bereich der Alpen als ein Block verformt und die Deformation in den Sedimenten der Helvetischen Decken mit der im tieferliegenden kristallinen Aar Massiv gekoppelt ist.

 

   

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letzte Aktualisierung: 17.10.2018